Sonntag, 9. Dezember 2007

Der Dorfdichter

Eine Geschichte wie aus ferner Zeit. Mit einem Bus fuhr ich durch dieses Dorf, zusammen mit meinen Klassenkameraden. Wir waren auf Klassenfahrt und hielten hier kurz. Ich stieg für einen Moment aus und als ich wieder einsteigen wollte, schloß die Tür vor meiner Nase und der Bus fuhr davon. Die haben mich einfach hier in diesem gottverlassenen Nest vergessen und zurückgelassen. Im Traum habe ich jedoch Schwierigkeiten einzuordnen, ob das gerade erst passiert ist oder schon vor mehreren Jahren, denn obwohl ich meine, fremd hier zu sein, scheine ich doch einige Leute zu kennen und gehe geradewegs zu einem Garten, der etwas entfernt vom Dorfkern liegt. Eine ältere Frau bewirtschaftet ihn. Ich gehe in den Garten hinein und finde sie, wie sie gerade mit einem Eimer Schlamm schöpft. Ich begrüße sie, sie kennt mich schon und ich sie, und helfe ihr, indem ich ebenfalls einen kleinen Buddeleimer mit Schlamm fülle und neben den Gartenweg stelle. Wir unterhalten uns über jemanden und dann verabschiede ich mich wieder. Sie begleitet mich zum Gartentor, verbarrikadiert sich dahinter und lächelt mich an. Zwischen ihren Vorderzähnen hat sie eine kleine Zahnlücke und sie trägt eine Brille. Schade, daß sie da so hinter dem hohem Tor steht, denn ich hätte sie gerne umarmt oder mich von ihr umarmen lassen, aber das will sie wohl nicht. Ich gehe zum "dunklen" Dorfkern zurück, dunkel deshalb, weil der Dorfanger wie eine Insel voller dichter und hoher alter Bäume mitten auf dem freien Platz zwischen der Dorfstraße liegt. Die Bäume auf dem Dorfanger stehen so dicht, daß es dort tatsächlich sehr dunkel ist und der Anger ist ziemlich groß, womit er fast wie ein kleiner Wald wirkt. Ich spaziere in diesen Wald hinein und treffe auf ein Denkmal zwischen den Bäumen, welches mich seltsam fasziniert. Es zeigt die dunkel verwitterte Gestalt eines jungen Mannes, um welche herum ein kleiner quadratischer Platz mittels Steinen und Hecke abgeteilt wurde, ungefähr so wie bei größeren alten Familiengräbern auf dem Friedhof. Dieser Platz scheint dem Gedenken zu dienen, denn es liegen dort einige Blumen. Ich stütze mich mit den Armen auf die kleine Umfassungsmauer und betrachte das Denkmal genauer. Der junge Mann ist von schlanker, schöner Gestalt und hat ein fast engelhaft lächelndes schönes Gesicht. Ich weiß nicht, ob es seine Schönheit ist, aber irgendetwas berührt mich an ihm sehr. Neugierig suche ich das Denkmal und die Umfassungsmauer nach einem Namen ab, finde jedoch nichts. Aber ich scheine schon zu wissen, daß es ein Dichter ist. Das Denkmal erst einmal hinter mich lassend spaziere ich weiter und finde viel kleine, durch Hecken abgetrennte quadratische Plätze zwischen den Bäumen. Vielleicht bin ich ja hier auf dem Dorffriedhof gelandet. In der Dunkelheit sehe ich etwas entfernt ein schwarzes Tier hinter einem Baum erscheinen. Es kommt auf den schmalen, versteckten Weg getrottet, auf dem ich stehengeblieben bin, und ich kann nicht gleich erkennen, was es für ein Tier ist. Schließlich entscheide ich, daß es wohl ein Lämmchen sein muß, allerdings ein schwarzes. Nun bemerke ich neben mir außerdem noch viele kleine schwarze Kätzchen, die aus einer Hecke kommen und niedlich herumpurzeln. Das Muttertier stolziert hinterher und stellt sich dem schwarzen Lämmchen in den Weg, vielleicht um es zu beschnuppern. Das Lämmchen selbst ist nicht viel größer als die Katze und wirkt außerdem irgendwie krank oder unterernährt. Die Katze und das Lamm stupsen ihre Nasen zusammen, aber als die Katze ihre Zähne bleckt, wird mir schlagartig bewußt, daß sie trotz aller Niedlichkeit ein Raubtier ist und frage mich, ob sie das Lämmchen wohl angreifen und fressen wird. Die Kraft dazu hätte sie auf jeden Fall. Etwas besorgt beobachte ich die Situation, doch die Katze beißt dem Lämmchen nur in die Nase und läßt dann ab. Ich nehme jetzt den Weg zurück zum Denkmal und treffe dort einen Mann auf der Mauer lehnend. Ich lehne mich neben ihn und nutze die Gelegenheit, um ihn anzusprechen. Dabei sage ich ein wenig unsicher, daß dies also sowas wie ein Dorfdichter war und der Mann lacht bei diesem Begriff amüsiert und meint, so könne man es nennen. Ich weiß nicht, ob er mir auch den Namen nannte, aber er erzählte, daß dieser Mann Katzen in das Feuer warf und wohl auch sonst ziemlich bösartig und unausstehlich war. Das erstaunt mich etwas, weil es so gar nicht zum Aussehen passt, aber ja, es ist eigentlich nichts neues, daß auch schöne Menschen böse sein können. Nur geht man bei ihnen gerne und leicht vom Gegenteil aus. Doch diese Erzählung steigert mein Interesse und die Faszination für diese Gestalt nur noch mehr. Es ist jetzt, als würden sich die Zeiten ineinander verschieben, sich vermischen, denn plötzlich erscheint der Dorfdichter selbst an seinem Denkmal. Sein Aussehen erinnert mich an Johnny Depp in irgendeinem Film, an den ich mich nicht mehr erinnern kann, denn er trägt einen seltsamen Hut, eine Mischung aus Zylinder und ballonartigem Aufbau, sowie ein buntes Halstuch, auf aristokratische Art gebunden. Neugierig folge ich ihm nun durch das Dorf, wobei ich mir nicht sicher bin, ob er mich wahrnimmt und wir uns kennen, oder ob ich ihn nur beobachte. Persönlich ist mir aber, als würden wir uns kennen und uns sogar sehr vertraut sein. Während ich ihn begleite, bekomme ich einige wüste Beschimpfungen von ihm mit, die er gegen andere ausstößt, und sehe, wie er eine Katze ertränkt. Dann kommen wir, es ist inzwischen dunkler Abend, an einer langen und hohen Mauer vorbei, die sich entlang einer Straße hinzieht. An der Ecke der Mauer führt eine gewundene Treppe bis zu einer Art Aufbau auf der Mauerecke, welcher an eine Kirchenkanzel erinnert. Der Dorfdichter stürmt davon und auf diese Treppe. Im Laufschritt nimmt er die Stufen. Was will er denn jetzt, denke ich. Da bemerke ich mit Schrecken, daß er sich anscheinend von da oben hinunterstürzen will. Das ist ganz offensichtlich. Er läuft impulsiv die Kanzel und einen Teil der Mauer ab, um den besten Punkt dafür zu finden, und ich überlege fieberhaft, wie ich ihn davon abbringen oder was ich tun kann. Ich möchte nicht, daß er sich umbringt, denn ich habe ihn gerne und glaube, daß sein ganzes Benehmen aus einer Form von tiefer Verzweiflung zustandekommt. Auch die anderen Menschen auf der Straße bemerken jetzt, daß er sich hinunterstürzen will und rennen schreiend weg. Ich laufe hinterher, weiß aber selbst nicht warum, denke jedoch, daß ich sowieso nichts hätte tun können. Mit diesen anderen Leuten befinde ich mich jetzt in einer Gaststube. Es wird die Geschichte des Dorfdichters erzählt. Er sei einstmals bei einer Klassenfahrt hier zurückgelassen worden, und danach im Dorf geblieben. Wäre er nicht vergessen worden, hätte der Ort wohl nie einen eigenen Dichter gehabt. Eine Frau sagt, daß es Zeit wäre, den Morgen einzuläuten. Dabei klapst sie auf eine Uhr, die sofort beginnt laut zu ticken, so als hätte sie die vergangenen Stunden stillgestanden. Die Uhr zeigt genau sechs.
(Danach erwachte ich, es war ca. gegen 9 Uhr.)

Trackback URL:
https://meeresgrotte.twoday.net/stories/4519704/modTrackback

mammarazzi - 11. Dez, 00:18

ich sehe gerade, du liest ja bücher über magie...ich sammle nicht nur hexen, sondern auch hexenbücher,,,
einen lieben gruß vom ende der welt...äh vom ende berlins!

zuckerwattewolkenmond - 11. Dez, 19:39

Ich grüße

dich auch. Ich lese halt vieles. ;o)

Das verborgene Buch der Träume

...und andere gesammelte Schätze aus den Tiefen des Seelenmeeres

Suche

 

Weltentanz-News

Traumarchiv

Januar 2017
Januar 2016
November 2015
Oktober 2015
März 2015
Juli 2014
Juni 2014
Mai 2014
April 2014
März 2014
Februar 2014
Januar 2014
Dezember 2013
November 2013
Oktober 2013
September 2013
August 2013
Juni 2013
April 2013
Januar 2013
Dezember 2012
November 2012
Oktober 2012
September 2012
August 2012
Juli 2012
Juni 2012
Mai 2012
April 2012
März 2012
Februar 2012
Januar 2012
Dezember 2011
November 2011
Oktober 2011
September 2011
August 2011
Juli 2011
Juni 2011
Mai 2011
April 2011
März 2011
Februar 2011
Januar 2011
Dezember 2010
November 2010
Oktober 2010
September 2010
August 2010
Juli 2010
Juni 2010
Mai 2010
April 2010
März 2010
Februar 2010
Januar 2010
Dezember 2009
November 2009
Oktober 2009
Juli 2009
Juni 2009
Mai 2009
April 2009
März 2009
Februar 2009
Januar 2009
Dezember 2008
November 2008
Oktober 2008
September 2008
August 2008
Juli 2008
Juni 2008
Mai 2008
April 2008
März 2008
Februar 2008
Januar 2008
Dezember 2007
November 2007
Oktober 2007
September 2007
August 2007
Juli 2007
Juni 2007
Mai 2007
April 2007
März 2007
Februar 2007
Januar 2007
Dezember 2006
November 2006
Oktober 2006
September 2006
August 2006
Juli 2006
Juni 2006
Mai 2006
April 2006
März 2006
Februar 2006
Januar 2006
Dezember 2005
November 2005
Oktober 2005
September 2005
August 2005
Juli 2005
Juni 2005
Mai 2005
April 2005
März 2005
Februar 2005
Januar 2005
Dezember 2004
November 2004
Oktober 2004
September 2004
Juni 2004
Mai 2004
April 2004
März 2004
Februar 2004
Oktober 2003
September 2003
August 2003
Juli 2003
Juni 2003
Mai 2003
April 2003
September 2002
August 2002
September 2001
Juli 2001
Juni 2001
Mai 2001
April 2001
Februar 2001
Mai 2000
März 2000
Januar 2000
August 1999
März 1999
November 1998
September 1998
August 1998
Juli 1998
Mai 1998
April 1998
März 1998
Februar 1998
Januar 1998
November 1997
August 1997
Februar 1997
Mai 1996
März 1996
Januar 1995
Dezember 1992
August 1991
Mai 1991
April 1991
März 1991

Aktuelle Beiträge

Hallo Rosenherz,
ja, hier ist noch jemand. Allerdings poste ich meist...
zuckerwattewolkenmond - 21. Jan, 13:51
Hallo!
... ist da noch jemand? Letzter Eintrag im Jänner 2016? Gerade...
rosenherz - 16. Dez, 15:50
ich sehe die Fingerkuppenringe...
ich sehe die Fingerkuppenringe vor mir - phantastisch!...
g a g a - 15. Apr, 20:44

Dimensionen

~Ich träumte, ich sei ein Schmetterling, hin und her flatternd, mit allen Absichten uns Zielen eines Schmetterlings. Plötzlich erwachte ich, und lag da wieder ich selbst. Nun weiß ich nicht, war ich ein Mensch, der träumte, er sei ein Schmetterling, oder bin ich ein Schmetterling, der jetzt träumt, er sei ein Mensch?~ (Tschuangtse, chinesischer Philosoph)

Alle Links in Popups öffnen

alle Links auf der aktuellen Seite in einem neuen Fenster öffnen 

Status

Online seit 6704 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 21. Jul, 12:30

Traum-Feed


Creative Commons License

xml version of this page
xml version of this page (summary) twoday.net AGB

Alle anderen Träume
Aufwachträume
Badewannenträume
Berufsträume
Beziehungsträume
Feuerträume
Flugträume (Luft)
Gartenträume (Erde)
Gedankenblitze, Visionen und Synchronizitäten
Kurzträume und Fragmente
Luzide Treppenträume
Pflanzenträume
Schamanische Traumreisen
Schulträume
Synchrones Träumen
Tierträume
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren