Sonntag, 2. Dezember 2007

Der tote Junge

Ich habe keine eigene Wohnung mehr, sondern bin bei einer grauhaarigen älteren Dame untergebracht, die wohl bei der Kirche arbeitet (wahrscheinlich in Anlehnung an die Zeit, als ich zur Untermiete bei einer Pastorin wohnte). Dort habe ich jedoch nicht einmal ein eigenes Zimmer, sondern nur ein Bett, in dem ich schlafen kann. Es ist einer dieser Morgen, an denen ich lange ausschlafen will und immer kommt jemand in das Zimmer, um irgendwas aus den Schränken zu holen. Ich ziehe mir die Bettdecke über die Nase und tue so, als ob ich noch fest schlafe. Doch die Frau läßt nicht locker und "weckt" mich, indem sie sich neben das Bett stellt. Ich öffne also die Augen und stehe auf, laufe ins Wohnzimmer, wo ich mit einem energischen "Guten Morgen!" die Leute grüße, die schon um den Frühstückstisch sitzen. Danach befinde ich mich wieder im Zimmer mit dem Bett, doch es ist auf einmal, als würde eine Wand fehlen und ich hinaus auf das flache Dach eines Hauses sehen. Seltsamerweise ist es Nacht. Man sieht überall Lichter der Werbetafeln blinken und aus weiter entfernten Häusern scheinen. Ich könnte mir vorstellen, daß dies ein Hochhaus war, denn ich denke mir, daß es tief hinunter geht, obwohl ich von meinem Standpunkt nicht den Fuß des Hauses und die Straße sehen kann. Es scheint eine Großstadt zu sein, zumindest meine ich fast den Lärm der Autos auf der Straße zu hören, der aber nur gedämpft bis zum Dach dringt. Eine schwarzhaarige junge Frau tritt an eine Ecke des Daches und läßt sich ohne das kleinste Zögern, so als wäre es etwas ganz normales, in die Tiefe fallen. Ihr Oberkörper ist nackt und schimmert weiß, während sie in die Nacht fällt. Erschrocken frage ich mich, ob sie jetzt wohl tot ist, denn ich kann ja nicht erkennen, wie tief es ist und wo sie hinfällt, aber ich gehe davon aus. Dann kommt ein kleiner schwarzhaariger Junge auf das Dach. Er hat asiatische Gesichtszüge und schaut mich einen Moment lang an, bevor er sich ebenfalls in die Tiefe fallen läßt. Etwas verwirrt suche ich jetzt den Dachboden des Hauses, wobei ich auf eine Art Galerie gelange, die in einen hohen und großen Raum hineingebaut ist. Der Raum liegt ganz menschenleer und still vor mir, er scheint schon seit Jahren nicht mehr benutzt worden zu sein, vielleicht kennt man ihn noch nicht einmal. Von der Galerie führt eine extrem schmale Treppe, schmaler als ich selbst, in den Raum hinunter, so steil, daß es eigentlich mehr eine Leiter ist. Spontan begebe ich mich auf diese Treppenleiter, muß aber feststellen, daß sie nicht gesichert ist und schief steht. So beginnt sie nun, mit mir daran, bzw. darauf, hin- und herzuschwanken. Ich rechne fest damit zu stürzen und es geht ziemlich tief hinunter in den Raum. Etwas panisch, versuche ich sie mit meinem Gewicht noch irgendwie zu dirigieren und verfluche mich selbst, daß ich da hinaufgestiegen bin. Jetzt hänge ich hier oben und komme weder wieder auf die Galerie hinauf, noch in den Raum hinunter, da die Leiter wohl dann das Gleichgewicht verliert. Während ich noch ratlos an der Leiter hänge, spüre ich plötzlich Boden unter den Füßen. Ich bin unten angekommen, wie auch immer. Während ich noch darüber sinniere, was für eine kreuzgefährliche Treppe das ist, wird mir mit einem Schlag klar, daß dies wohl genau die Treppe sein muß, von der ein kleiner Junge gestürzt und gestorben ist. Dies wurde mir von den Bewohnern des Hauses erzählt, zumindest meine ich mich daran zu erinnern. Jetzt weiß ich auch, daß dieser Raum das Zimmer des kleinen Jungen war, welches unverändert gelassen wurde und nicht mehr benutzt wird. Mir wird jetzt etwas unbehaglich in dem großen, unbewohnten Raum, denn ich frage mich, ob der kleine Junge wohl hier noch herumspukt und ich in sein Zuhause eingedrungen bin.

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~Ich träumte, ich sei ein Schmetterling, hin und her flatternd, mit allen Absichten uns Zielen eines Schmetterlings. Plötzlich erwachte ich, und lag da wieder ich selbst. Nun weiß ich nicht, war ich ein Mensch, der träumte, er sei ein Schmetterling, oder bin ich ein Schmetterling, der jetzt träumt, er sei ein Mensch?~ (Tschuangtse, chinesischer Philosoph)

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