Das Single-Cafe (Juli)
Heute ist der letzte Tag einer Praktikumswoche, die ich in einem großen Zentrum voller Arztpraxen, Geschäfte und Cafes absolviere. Bisher war ich als Assisstentin in einer speziellen MRT-Praxis eingesetzt. Was das Spezielle ist, will mir nicht mehr einfallen, vielleicht für ein bestimmtes Körperteil. Als ich früh um 8 Uhr die Tür zur Praxis öffne, finde ich dort eine völlig andere Besatzung vor. Das liegt daran, daß die Räumlichkeiten immer mal wieder getauscht und gewechselt werden. Hier ist nun eine normale MRT-Praxis zugange und auf meine Frage, unter welcher Zimmernummer ich meine zuständige Praxisanleiterin finde, kann man mir keine Antwort geben. Nun ja, ich werde die neue Örtlichkeit auch so finden. Aber zuerst könnte ich gleich meine mir zustehende halbe Stunde Frühstückspause machen und mir somit Zeit lassen. Während ich aus einem Fenster schaue, entdecke ich joggend auf der Straße meinen Sportskollegen vom Sportverein. Hm, wenn er heute joggt, werde ich ihn sicher auch abends beim Turnen treffen. Dabei wird klar, daß Montag ist. Als ich erneut das Zentrum betrete, ist es 9 Uhr. Mist, jetzt habe ich eine volle Stunde verbummelt. Hoffentlich bekomme ich keinen Ärger. Ich werde zwar etwas komisch angeguckt, aber man sagt mir nur, ich solle zum Empfang gehen. Empfang, hm. Wo ist der Empfang? Suchend sehe ich mich um und entdecke hinter einer Theke eine Frau, auf deren dunkelbraunem T-Shirt in großen gelben Buchstaben "Empfang" steht. Ahhh....ich melde mich bei ihr und sie führt mich in meine Aufgabe für heute ein. Ich soll im gleich vor der Theke befindlichen Single-Cafe aushelfen. Mir wird erklärt, wie das Prinzip funktioniert. Eine Vielzahl an unterschiedlich dekorierten Würfelzuckern befindet sich auf jedem Tisch. Manche sind halb in Schokolade getaucht, andere mit buntem Marzipan beklebt usw. Jedes Dekor gleicht einer Art Geheimsprache. Der Schlüssel zu dieser Geheimsprache befindet sich in der Speisekarte. Ein Dekor z.B. bedeutet: "Sprich mich an, ich rede mit dir." Ein anderes wiederum: "Ich wünsch mir deine Telefonnummer." Und ein drittes vielleicht: "Ich würde dich gerne kennenlernen." Nun kann man das passende Würfelzuckerstück an den entsprechenden Tisch bringen und dort ablegen. Auf diese Art ist es möglich, ganze Unterhaltungen zu bestreiten, bis man es wagt, persönlicher zu werden. Während ich gut zuhöre, schnappe ich mir zwei mit grünem Marzipan ummantelte Zuckerstückchen, um davon zu naschen. Eigentlich keine schlechte Idee, so ein Single-Cafe. Wußte gar nicht, daß es so etwas gibt. Die Anleiterin bietet mir nun an, mir eines der Zuckerstückchen zum Naschen zu nehmen. Anscheinend hat sie nicht bemerkt, daß ich bereits zwei in der Hand halte. Auf einmal ist mir mein voreiliges Verhalten peinlich und etwas betreten schaue ich auf die grünen Stückchen in meiner Hand. Auch die Anleiterin entdeckt sie jetzt, sagt zwar nichts, aber schaut pikiert. Schon wieder in ein Fettnäpfchen getreten! Ständig mache ich etwas falsch. Was müssen die nur von mir denken....
Berufsträume - Samstag, 1. Januar 2011, 18:11