Friedenstaube?
Ich erwache in meinem Bett. Miauen dringt an mein Ohr. Die Katze schleicht durch das Zimmer und benimmt sich ziemlich ungezogen und mißgelaunt. Fast aggressiv scheint sie mich provozieren zu wollen. "Katze!" rufe ich gebieterisch, "Katze!", dann stehe ich auf und gehe zur Balkontür. Durch die noch zugezogenen Vorhänge fällt ein leuchtendes Lichtquadrat. Dahinter taucht plötzlich der furchterregende Schattenriss eines riesigen Vogels auf - spitzer Schnabel und ein Knäuel von Flügeln und Hälsen. Die Form erinnert an das Haupt der Medusa oder an den mythischen Vogel Phönix. Auf den Fußboden gekauert beobachte ich hinter der Tür diesen unheimlichen Schatten. Er macht sich auf meinem Balkon zu schaffen und fliegt wieder fort. Als ich, nun mutig geworden, auf den Balkon hinaustrete, fällt mir auf, daß der Vogel einen alten Blumentopf mit vertrockneten Pflanzenresten mitgenommen und dafür ein kleines Olivenbäumchen zurückgelassen hat. Er hat es aber nicht nur zurückgelassen, sondern sogar in einen Steinguttopf eingepflanzt. Das Grün des Bäumchens ist dunkel, gesund und glänzend. Jetzt wird mir auch klar, warum der Schatten des Vogels so furchteinflößend aussah - es war das Olivenbäumchen, das er mit sich trug und welches mit dem Vogelschatten zu jener monströsen Kreatur verschmolz.
Aufwachträume - Donnerstag, 8. Dezember 2011, 22:56
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