Fehlende Wand
Mein Nachbar hat die Trennungswand zwischen seinem und meinem Zimmer abgerissen und so sein Schlafzimmer ungefragt vergrößert. Zwar stehen noch meine Schränke darin, aber den Rest des Zimmers hat er in Beschlag genommen, indem er mit seiner neuen Freundin darin nächtigt. Beide liegen angezogen im Bett, zwar eng nebeneinander, aber doch ziemlich unintim, trotzdem ist es mir ein wenig unangenehm mich im gleichen Raum aufzuhalten. Gehen möchte ich allerdings auch nicht, denn schließlich ist es ebenfalls mein Zimmer. Wenn ich mich jetzt zurückziehen würde, würde es bedeuten, mein Terrain kampflos aufzugeben. Hätte ich vier Zimmer, wäre ich vielleicht großzügig, aber bei der kleinen Wohnung niemals. So schnell vertreiben lasse ich mich nicht. Also bleibe ich im Raum und krame nun demonstrativ laut in meinen Schränken herum. Dies mache ich lange und ausgiebig. Schließlich habe ich das Recht dazu und wenn sie sich gestört fühlen, ist es ihr Problem. Anfangs reagieren sie jedoch lange nicht, entweder weil sie schlafen oder weil sie die Möglichkeit nicht aufgeben wollen, das Zimmer leicht und konfliktlos zu übernehmen. Endlich aber ist das Mädchen wohl genervt und fragt mich ärgerlich: "Wer sind Sie eigentlich?" Ich schaue sie an, gespielt erstaunt ob dieser einfältigen Frage, und antworte nachdrücklich und betont: "Ich wohne hier!" Jetzt scheint es ihr wieder einzufallen. Sie winkt ab und bedeutet mir, klein begebend, ich solle weiterkramen, wenn es denn sein muß. Das Zimmer räumen wollen die beiden noch nicht, aber ich schätze, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie merken, daß sie an ihrer ungefragten Besetzung, keine Freude haben werden.
Wohnungsträume - Donnerstag, 9. April 2009, 15:00
Trackback URL:
https://meeresgrotte.twoday.net/stories/fehlende-wand/modTrackback