Auf Eis gelegt
In einer Klinik werde ich von einem jungen Arzt mit Brille einen langen Krankenhausgang entlanggeführt, in welchem fahle Neonröhren flackern. Er bringt mich in ein Zimmer, welches eigentlich mehr wie eine Gefängniszelle aussieht. Der Raum ist langgestreckt, wobei das Bett gleich an der Tür steht, in der sich ein Guckloch befindet. An der anderen Seite des Raumes ist ein vergittertes Fenster. Der Arzt versichert mir die ganze Zeit, daß er mir helfen möchte und ich glaube ihm das, zumal ich im Krankenhaus bin, aber ich bin dankbar, da er besonders bemüht erscheint. Im Zimmer angekommen, bekommt er einen Handyanruf und wendet sich kurz ab. Ich setze mich auf das Bett und merke, daß irgendetwas an der Matratze seltsam ist. Als ich hinuntergreife stelle ich fest, daß die Matratze auf Eiswürfeln liegt. Diese sind gut versteckt, als sollte ich es nicht bemerken. Was soll das hier werden? Eine neue Therapie? Der Arzt wendet sich erneut mir zu und fragt mich, ob mir kalt wäre. Ja - sage ich, da die Matratze wirklich immer kälter wird. Er scheint zufrieden, sagt aber nichts weiter dazu, sondern beginnt irgendetwas Medizinisches zu deklamieren. Doch zwischendurch hält er immer wieder inne, um mich zu fragen, ob mir kalt wäre, und ist befriedigt, wenn ich dies bestätige. Ich finde sein Verhalten sehr seltsam. Ist doch klar, daß mir kalt ist, wenn er mich extra auf Eiswürfeln bettet, und warum sagt er mir nichts davon, wenn er eine neue Therapie ausprobieren möchte? Warum fragt er mich immer wieder dasselbe, wenn er doch wissen müßte, daß es so ist? Als er mich das nächste Mal fragt, ob mir kalt wäre, hat sich sein Gesicht zu einer höhnisch grinsenden Fratze verzogen. Und plötzlich weiß ich es vollkommen klar: Dies ist keine echte Klinik und er ist auch kein Arzt, sondern wahrscheinlich ein Menschenfresser. Er will mich gar nicht heilen, denn er hat ganz andere Absichten, die keinesfalls gut sind. Vielleicht ist das Zimmer hier so eine Art Kühlschrank. Die Kälte nimmt jetzt massiv zu, allerdings sind der Grund dafür nicht die Eiswürfel, sondern es ist vor allem die Atmosphäre von Bedrohung, sowie die Trauer darüber, in meiner Hilflosigkeit allein gelassen, ausgenutzt und betrogen zu werden, die mich frieren läßt. Ich darf mir aber auf keinen Fall etwas anmerken lassen, niemals, damit er nicht Verdacht schöpft, daß ich bemerkt habe, was er mit mir macht. Fieberhaft überlege ich, wie ich entkommen kann. Vielleicht kann ich eine leblose Attrappe von mir basteln, die ich in das Bett stecke. Dann denkt er, ich bin ihm sicher, während ich mich längst davongeschlichen habe.
Träume von Krankheit und Heilung - Samstag, 23. Oktober 2010, 15:32
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