Schamanische Reise in die Unterwelt
Die Reise beginnt in meinem Seelengarten, wo ich den Tiergeist rufe. Eine Ente watschelt am Ufer des Sees entlang, aber ich glaube nicht, das die Ente der Tiergeist ist, bis sie mich ärgerlich am Bein zupft und sagt, ich solle endlich kommen. Also gehe ich auf den Steg, springe ins Wasser und tauche hinunter zu der Felsengrotte, die der Durchgang zur Unterwelt ist. Als wir hindurchgeschwommen sind, stehen wir auf einem breiten Waldweg. Ich gehe lange Zeit den Weg entlang und frage mich, was da noch kommen soll, aber es tut sich nichts. Doch dann bemerke ich, daß der Weg immer schmaler wird und schließlich ganz verschwunden ist. Nun laufe ich mitten durch den Wald an den Bäumen vorbei, wobei die Stämme immer dichter stehen, je weiter ich komme. Irgendwann stehen sie so eng nebeneinander, daß ich nicht mehr hindurchpasse und ratlos gucke ich die Ente an. "Dann zaubere, du kannst das doch." sagt diese zu mir und ich entgegne, daß ich nicht zaubern kann. Ich überlege, wie man an den Baumstämmen vorbeikommen kann, abholzen o.ä. erscheint mir etwas zu schwierig. Endlich komme ich auf die Idee, die Bäume einfach zu fragen und tatsächlich, als ich sie bitte, mich vorbeizulassen, biegen die Stämme sich zur Seite und lassen mich hindurchschlüpfen. So gehe ich eine ganze Weile weiter durch den Wald, wobei ich ständig und immer wieder bitten muß, was mich etwas nervt. Ich komme an ein großes Wurzelhindernis, wo ich nicht hinüberkomme. Ich schaue, ob ich eventuell am Baum hochklettern könnte, doch der Stamm sieht so glatt aus, daß ich bezweifle, daran hochzukommen. Aber als ich es versuche, wachsen ihm kleine Verkrümmungen und Ansätze auf denen ich dann doch hinaufklettere und mich zur anderen Seite hangeln kann. Hinter dem Hindernis lichtet sich der Wald und ich komme auf eine grüne Wiese. Zumindest denke ich, daß es eine Wiese ist, doch je weiter ich auf ihr laufe, um so sumpfiger wird es und ich sinke immer tiefer ein. Ich laufe schneller, weil ich weiß, daß ich dann nicht so tief einsinke und verliere dabei meine Schuhe, die im Schlamm stecken bleiben. Doch auch das schnelle Laufen nützt nichts. Irgendwann sinke ich so tief ein, daß ich nicht mehr herauskomme und versinke immer weiter im Schlamm. Ich fange an zu fluchen und überlege panisch, mit welchem Trick oder mit welchem Zauber ich mich retten könnte, bevor ich ganz im Sumpf untergehe, aber es fällt mir nichts ein. Deshalb verlege ich mich wieder aufs Bitten und rufe laut, ob da jemand ist, der mir hilft. Als ich schon bis zum Bauch eingesunken bin, erscheint plötzlich über mir ein Mann. Er ist wie ein Schäfer gekleidet, hat aber nur ein Auge. Er hält mir einen Ast, bzw. Stab hin, an dem ich mich festhalte und er mich herauszieht. Ich frage ihn, wer er ist und er stellt sich als Wotan vor. Ich bin erstaunt und frage, ob er nicht aus der Oberwelt kommt. Er antwortet: "Ich bin überall." Er schenkt mir den Stab, mit dem er mich aus dem Sumpf gezogen hat und meint, daß ich ihn vielleicht noch gebrauchen könnte. Ich frage ihn, wozu ich den Stab denn verwenden kann, doch er antwortet nur: "Finde es heraus." und geht. Neugierig betrachte ich den Stab und vergesse dabei ganz, mich zu bedanken. Hastig drehe ich mich um und rufe ihm noch ein Danke hinterher, aber er winkt ab ohne sich noch mal umzuwenden. Der Stab sieht aus, wie der Ast von einer Birke. Nicht ganz gerade und mit einer weißlichen Rinde, aber ansonsten glatt. Ich benutze ihn vorerst nur als Wanderstab und laufe weiter, bis ich zu einem Feld mit meterhohen Getreideähren komme. Ich versuche mich durch das Feld zu schlagen und weil die Getreidepflanzen mir schmerzhaft ins Gesicht schlagen, halte ich den Stab quer vor mich, um mir eine Schneise zu machen. Plötzlich kommt von oben ein großer Adler auf mich zugeschossen und greift mich an. Er versucht mich immer wieder am Genick zu packen und ich versuche ihn, mit dem Stab abzuwehren. Dann hört er auf, mich am Genick anzugreifen, sondern hackt mir stattdessen ein großes Stück Fleisch aus der Wange. Er hackt immer weiter in meinem Gesicht rum, bis es total blutig und zerrissen ist, erwischt auch meine Augen dabei und läßt schließlich von mir ab. Da ich keine Augen mehr habe, kann ich nichts mehr sehen. Um mich herum ist alles dunkel und ich weiß nicht, wie ich jetzt weitergehen und meinen Kraftgegenstand finden soll. Am liebsten würde ich sofort wieder umkehren. Doch die Ente sagt zu mir, daß ich jetzt nicht mehr umkehren könne und daß sie mich führen wird. Also laufe ich weiter. Mit dem Stab taste ich mich voran und die Ente auf meiner Schulter sagt mir ins Ohr, in welche Richtung ich gehen soll. Irgendwann bin ich so erschöpft, daß ich eine Rast einlege und mich hinsetze. In meinen Händen halte ich den Stab und streiche über seine glatte Oberfläche. Dabei spüre ich, daß frische Triebe mit Blättern aus dem Stab herausbrechen. Plötzlich höre ich eine Stimme, die immer wieder zu mir sagt, daß ich die Blätter essen soll. Ich fühle auch, daß jemand dicht hinter mir steht, weiß aber nicht, wer das ist, und weil ich Angst habe, vergesse ich zu fragen. Die Stimme wiederholt ständig, daß ich die Blätter essen soll. Ich bin mir nicht schlüssig, tue es dann doch. Kurz darauf spüre ich, wie mir jemand eine Schlinge um den Hals wirft und mich wegschleift. Als nächstes fühle ich, daß ich mit dem Kopf nach unten irgendwo hänge. Ich rufe die Ente und höre auch gleich ihre Flügelschläge um mich herum. Auf die Frage von mir, wo ich mich befinde, druckst sie erst rum und will nicht antworten, doch dann sagt sie mir, daß ich über einem Abgrund hänge. Ratlos überlege ich, wie ich mich wieder befreien könnte, den Stab halte ich immer noch in meinen Händen. Doch mir fällt nichts ein und ich bitte die Ente, das Seil an meinen Füßen durchzubeißen. Als sie es geschafft hat, falle ich und der Stab in meinen Händen fängt den Fall fast wie ein Fallschirm auf. An ihm segle ich wie an einem Drachenflieger hinunter. Dabei kann ich plötzlich wieder alles sehen. Ich lande auf einem steinigen Strand, der voller Geröll ist. Ich laufe an dem Strand entlang, bis ich ein einfaches Segelboot auf dem Wasser schaukeln sehe. Mit der Ente steige ich in das Boot hinein und wir segeln auf das Meer hinaus. Es wird immer stürmischer und wir schaukeln heftiger und heftiger auf den Wellen. Dann geraten wir in einen Strudel, der uns mit rasender Geschwindigkeit nach unten zieht. Durch den Strudel werden wir, während wir uns rasend mit dem Boot um uns selbst drehen, nach unten gezogen und landen schließlich auf einem anderen Stück Strand, bzw. einer Bucht. Ringsherum befinden sich Felsenhöhlen, aus denen ein merkwürdig schimmerndes Licht strahlt. Ich bin zwar neugierig, aber immer noch so schwindelig und zittrig, daß ich nicht aufstehen kann und möchte. Endlich raffe ich mich auf und gehe in die erste der Höhlen hinein. Dort sehe ich eine alte Hexe an einem großen Kessel, in dem sie etwas zusammenkocht. "Wer bist du?" frage ich . "Babajaga" antwortet sie. "Aber du wohnst doch eigentlich in einem Holzhaus?" sage ich daraufhin. "Für dich bin ich extra hierhergeflogen." entgegnet sie schelmisch. Dann bittet sie mich, ihr meinen Stab zu geben. Ich sage, daß der Stab ein Geschenk ist und ich ihn nicht weggeben möchte, aber daß ich ihr gerne einen der frischen Triebe vom Stab gebe. Die Hexe ist damit zufrieden und sagt, daß ich mich auf den Kesselrand setzen und meine Füße in das kochende Gebräu halten soll. Das tue ich auch ohne zu zögern. Nachdem ich meine Füße hineingetaucht habe, werden diese zu großen Adlerklauen. "Und jetzt?" frage ich ratlos. "Tja" sagt die Hexe und grinst. Ich weiß nicht, was ich mit diesen Adlerklauen soll, denn mit denen kann ich ja nicht mal laufen, bin eigentlich völlig hilflos. Die nützen mir nur was, wenn ich ein richtiger Adler bin. Weil ich vermute, daß ich mich so eventuell von Kopf bis Fuß in einen Adler verwandle, tauche ich ganz in den Kessel ein und tatsächlich werde ich zu einem. Ich steige hoch in die Luft, mit der Ente auf dem Rücken und dem Stab im Schnabel und mache mich auf den Weg übers Meer. So richtig weiß ich nicht, wo ich hinfliegen soll, aber ich fliege einfach immer weiter. Unter mir treffe ich irgendwo auf einen verletzten Wal. Ich frage ihn nach dem Weg und er bittet mich, ihm einen Trieb von meinem Stab zu geben. Ich werfe ihm einen hinunter und er sagt zu mir, ich solle bis zum Horizont fliegen. Also fliege ich weiter, bis ich zum Horizont komme. Dort befindet sich ein Sandstrand am Meer und auf diesem Strand stehen ein Tisch und ein Stuhl. Ich, bei meiner Landung wieder zu einem Mensch geworden, setze mich auf den Stuhl und sehe auf dem Tisch ein winziges Sandkorn liegen. Aufmerksam beobachte ich es, sehe seine schöne Kristallstruktur und je mehr ich es betrachte, um so größer wird es und beginnt wunderschön zu funkeln und zu glänzen. Im Licht der nun untergehenden Sonne leuchtet es rötlich. Ich nehme das Sandkorn und werfe es hinaus aufs Meer. Dort, wo es auf das Wasser trifft, hinterläßt es einen breiten silbrig-rötlich schimmernden Streifen. Doch die Brandung spült es wieder zu mir. Auch die nächsten Male, die ich es ins Meer werfe. Deshalb nehme ich es an mich. Mit dem Sandkorn und dem Stab gehe ich ins Meer und tauche wieder zur Felsengrotte hinunter, die der Ausgang zu meinem Garten ist. Dort bedanke ich mich bei der Ente, die schnell davonwatschelt, das Sandkorn und den Stab bewahre ich im Garten auf.
Schamanische Traumreisen - Donnerstag, 4. März 2004, 03:16
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