Ihr seid alle nur ein Traum! (September)
In meinem Einzel-Bürozimmer liege ich auf einer mit Zimmerpflanzen vollgestellten Fensterbank, die wie ein kleiner Dschungel wirkt, und döse vor mich hin. Ich muß draußen etwas erledigen, verlasse kurz den Raum, räume im Flur eine Zettelablage auf und kehre in mein Büro zurück. Gleich hinter mir geht die Tür nochmals auf und eine mir unbekannte Kollegin sagt, sie müsse etwas nachprüfen. In einer der Akten sei ein Diebstahl festgestellt worden. Diebstahl? Hab ich zuviel Geld gezahlt? Fr. G. kommt nun ebenfalls, ohne überhaupt zu grüßen, setzt sich an den Tisch und blättert in Akten. Suchen sie vielleicht absichtlich irgendwelche Fehler, die sie mir nachweisen können? Wie ich erfahre, geht es um eine Kette mit Lederband und Elfenbeinringen. Ich sage zu der mir fremden Kollegin, daß diese Ketten an jeder Straßenecke verkauft werden. Sie nickt, gibt mir recht und meint, sie verstehe ja auch nicht, was das alles soll. Also doch ein Komplott. Aber irgendetwas erscheint mir seltsam. Was hat eine Kette mit den Akten zu tun? Inzwischen sind immer mehr Leute in das Zimmer geströmt, viele, die ich gar nicht kenne, und auf einmal weiß ich es: Das hier ist alles nur ein Traum und sie die Traumfiguren. Um mich zu vergewissern, wende ich mich an die versammelte Mannschaft und frage: "Ihr seid alle nur ein Traum, stimmts?" Doch die Leute beachten mich gar nicht oder gucken mich nur verständnislos an. Hey, so geht das aber nicht! - denke ich mir - mich einfach zu ignorieren... Ich möchte eine Antwort haben! Etwas lauter und nicht mehr fragend, sondern eher provozierend rufe ich, auch in das Nebenzimmer hinein, wo sich ebenfalls viele versammelt haben: "Ihr seid nur ein Traum! Ihr seid nur ein Traum!" Es werden immer mehr Personen und vor meinen Füßen stolpert nun ein kleines, allerhöchstens dreijähriges Mädchen herum. Auch sie frage ich: "Stimmts, du bist nur ein Traum." Das Mädchen nickt schüchtern. Ha, denke ich triumphierend, kleine Kinder sagen eben die Wahrheit. Doch gleich darauf geht das Kopfnicken in ein Kopfschütteln des Mädchens über. Hm, wahrscheinlich ist sie noch zu klein und weiß gar nicht, ob sie ein Traum ist oder nicht. Doch die Reaktion des Mädchens hat meine Gefühle in Bezug auf die anderen Traumfiguren geändert. Ich bin jetzt nicht mehr ungeduldig und gereizt, weil sie nicht antworten. Eine Woge von Verständnis und Wärme durchflutet mich, denn vielleicht ist ihnen allen ja gar nicht bewußt, daß sie nur Figuren in einem Traum sind, die Armen! Während sie so überaus geschäftig in allen Richtungen an mir vorbeieilen, obwohl sie nicht wirklich sind, betrachte ich sie mitfühlend und lege mal einen Arm um diese und mal einen Arm um jene Person. Doch wenn ich nur träume, könnte ich jetzt eigentlich auch weiterschlafen. Ich gehe also zur Dschungel-Fensterbank, bette mich darauf und schließe die Augen. Doch etwas ist eigenartig. Obwohl es inmitten der Pflanzen dunkel ist und kein Licht meine Augen trifft, ist es, als hätte jemand direkt unter meinem Scheitel innen ein helles Licht angeknipst. So als wäre die oberste Schädeldecke eine Deckenwand, an der eine Leuchte befestigt ist. Das Licht verschwindet leider nicht und da es von innen kommt, weiß ich auch nicht, wie ich es loswerde. Mir ist ein wenig unheimlich zumute, aber vor allem weiß ich nicht, wie ich mit dem Licht schlafen soll, deshalb springe ich wieder auf. In meinem Zimmer sitzt nun nur noch eine einzige Person vor meinem Schreibtisch. Erst erkenne ich sie nicht, doch als ich ihr Gesicht genauer betrachte, ist es eine ehemalige Mitschülerin. "C.?" nenne ich ihren Namen und sie nickt lächelnd. Es scheint beinahe, als sei sie meine neue Chefin. Na sowas...
Berufsträume - Montag, 3. Januar 2011, 11:11