In der Klinik
An der Anmeldung der Klinik sitzen zwei Schwestern und geben Pakete aus. Anscheinend dient die Anmeldung auch als Poststelle. Geduldig warte ich, bis mich jemand aufruft. In dieser Klinik war ich noch nie, bin nun aber wegen einer Knochendichtemessung und einer anderen Nachsorgeuntersuchung hier. Doch nachdem es mir seltsam vorkommt, daß sich auch nach langer Zeit noch niemand um mich kümmert, schaue ich mich genauer um und stelle fest, daß man eine Nummer ziehen muß, und zwar an vielen verschiedenen Anmeldungen. Jede dieser Anmeldungen ist für andere Körperteile: Knochen, Herz, Leber, Lunge - auf einer Tafel ist aufgeführt, wo man sich mit welchem Problem hinwenden muß. Schließlich hab ich meine Nummer und werde auch schnell von einer jungen netten Ärztin aufgerufen. Sie ist sofort sehr offen und leutselig, redet mich mit 'Du' an. Ich habe nichts dagegen, sage ihr, daß ich sie sympathisch finde und sie mich gerne Duzen darf. Erfreut streckt sie mir die Hand entgegen und sagt "Ich heiße Olli." Ich schüttle ihre Hand und nenne ebenfalls meinen Vornamen. Nun kommt sie zur Sache und fragt mich, warum ich hier bin. "Wegen Brustkrebs." antworte ich und kann förmlich in Zeitlupe sehen, wie ihre Gesichtszüge entgleisen und aus freundschaftlichem Interesse förmliche Distanz wird, während sie irgendeinen nichtssagenden Satz sagt. Wirklich überrascht es mich nicht, denn ich bin das ja bereits gewöhnt, weshalb ich innerlich nur mit den Schultern zucke und die Sache abhake. Als ich das Krankenhaus wieder verlasse, fällt mir auf, daß überall Schwestern und Patienten sehr emsig mit blutigen Organen und Fleischstücken herumlaufen, ob nun klein oder riesige Körperhälften. Die ganze Empfangshalle wirkt wie ein einziges blutiges Schlachthaus. Manche Patienten tragen ihre eigenen, wahrscheinlich erkrankten Organe mit sich herum, die später wohl wieder hineinoperiert werden. Vor mir läuft eine Frau, die ihre gigantischen Lungenflügel mit sich herumschleppt, die dabei fast über den Boden schleifen. Kurz hinter ihr muß ich höllisch aufpassen, nicht plötzlich in die Lunge hineinzutreten. Das würde sicher etwas an der Lunge kaputt und die Frau ziemlich sauer machen.
Träume von Krankheit und Heilung - Freitag, 14. September 2012, 23:34
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